Digitale Teilhabe 65 plus

Beobachtungen, Gedanken, Fragen und Tipps
zur Überwindung der Alterslücke bei der Nutzung von digitalen Medien

Portrait: Herbert Kubicek
Prof. Dr. Herbert Kubicek
Jahrgang 1946
Über mich
13.02.2025

Kritik an App-Rabatten - Falscher Alarm und keine passende politische Schlussfolgerung der Seniorenvertretung

Falscher Alarm?

Im Weser-Kurier von heute schafft es ein Problem älterer Menschen mit der zunehmenden Digitalisierung sogar auf die Titelseite. Anlass ist der Wechsel der Supermarktketten REWE und Penny von einer Rabattkarte aus Plastik auf eine App auf einem Smartphone. Der Nachrichtenwert kommt im Untertitel zum Ausdruck: "Bremer Seniorenvertreter sieht Ausgrenzung Älterer bei reinen Online-Sonderangeboten" In dem klar aufgebauten Beitrag werden fünf treffende Fragen gestellt und mit Zitaten von Fachleuten klar beantwortet:

  • Werden gerade ältere Menschen durch App-Rabatte benachteiligt?
  • Wie vielen Senioren fehlen die Online-Voraussetzungen für die Nutzung der Apps?
  • Wie viele Kunden nutzen Supermarkt-Apps?
  • Wie sieht die Verbraucherzentrale die Entwicklung hin zu reinen App-Angeboten?
  • Warum hat Rewe das Payback-Programm verlassen?
  • Bei der Würdigung der Antworten, muss man allerdings genauer hinschauen, worum es geht.

    Seniorenvertreter Michael Breidenbach und Astrid Mönnikes, bei der BAGSO zuständig für den DigitalPakt Alter, antworten auf die erste Frage mit JA, auch wenn es andere Bevölkerungsgruppen gibt, die kein Smartphone haben oder es nur für Social Media nutzen .Breidenbach spricht nicht nur von Benachteiligung, sondern von "Ausgrenzung von älteren Menschen" und fordert: "Rabatte auf Angebote bei Grundnahrungsmitteln wie Butter sollen nur außerhalb der App stattfinden, damit alle in den Genuss dieses besonderen Angebots kommen."

    Mit der Payback Karte aus Plastik konnte man beim Einkauf Punkte sammeln, die man später in einen Gutschein (Bonuspunkte) in Euro umwandeln und beim Bezahlen einlösen konnte ( 1 Punkt auf 2 Euro Umsatz, also 0,5 % Rabatt auf alles). Daneben gab es stets befristetet ausgewählte Artikel zu einem reduzierten Aktionspreis (Sonderangebote) für alle, unabhängig von einer Teilnahme am Payback-Bonusprogramm. Diese Sonderangebote gibt es immer noch. Dazu braucht man auch heute keine App. Sie werden auch nicht nur über die App angekündigt, wie diese Anzeige aus dem Weser Kurier - ebenfalls von heute - zeigt.

    Das Bild zeigt gut, was sich geändert hat. Mit der REWE-App gibt. es in unterschiedlicher Höhe auf andere ausgewählte Artikel, die nicht erst in Punkte umgewandelt werden, sondern gleich an der Kasse abgezogen werden. Das Sammeln von Guthaben für den gesamten Einkauf geht nun auch nur noch mit der App.

    Forderung des Seniorenvertreters wird erfüllt

    Die Forderung von Seniorenvertreter Breidenbach bedeutet vor diesem Hintergrund konkret, dass REWE auf Grundnahrungsmittel wie Butter allen den Aktionspreis gewährt (rechte Seite des Anzeige) und Rabatte mit der App nur auf andere Artikel (linke Seite). Es ist wohl purer Zufall, dass Butter auf der rechten Seite steht.

    Ob die Marketing-Strategie erfolgreich ist, wird bezweifelt

    Mit solchen Rabatt-und Bonus-Programmen wollen Händler Kunden von der Konkurrenz abwerben und an sich binden. Es sieht aktuell nicht so aus, als sei diese zusätzliche Individualisierung von Rabatten ein Marketingerfolg. In dem Artikel wird eine Recherche des NDR-Magazins "Markt" zitiert: "Wenn Rewe auf ein Paket Marken-Waschmittel einen Bonus von einem Euro gibt, war das gleiche Waschmittel ohne App bei einem Konkurrenten für den gleichen Preis zu haben". Eine Google-Suche zu Kritik an der REWE-App ergibt vernichtende Überschriften:

    Nicht zu vergessen ist, dass an Stelle von REWE jetzt EDEKA Payback Partner ist und mit umfangreicheren Anzeigen auf Sonderangebote hinweist. Ich habe selbst die neue Payback-Karte mit dem EDEKA-Aufdruck als Ersatz für die REWE-Karte unaufgefordert zugeschickt bekommen.

    Benachteiligung Älterer bei der Digitalisierung bleibt ein Problem, erfordert aber andere Lösungen

    Die mit dem Beitrag angesprochene Problematik einer Benachteiligung aller, die kein Smartphone haben oder es nur zur Kommunikation und Informationssuche nutzen, bleibt unabhängig von diesem Einzelfall und wird zunehmen, wenn keine passenden Lösungen gefunden und umgesetzt werden.

    Analog-Nostalgie ist keine Lösung

    Wir hatten die Diskussion angesichts der Schließung von Bankfilialen in Bezug auf das Online-Banking oder als die Deutsche Bahn die BahnCard aus Plastik durch eine App ersetzt hat. Plastikkarten zu ersetzen, reduziert die mit deren Entsorgung verbundene Umweltbelastung. Und Deutschland wird kritisiert, dass hier noch vieles analog laufe, was in den meisten anderen Ländern digital geht. Sozialverbände fordern immer wieder ein"Recht auf analoges Leben". Das kann es für Verbraucherinnen und Verbraucher in einer Marktwirtschaft aber nicht geben. In der gemeinsamen Erklärung des DigitalPakt Alter lautet eines der sechs Ziele, für das sich die Partner einsetzen wollen daher:"Analoge Dienstleistungen müssen so lange angeboten werden, bis es eine vollwertige Unterstützung für diejenigen gibt, die digitale Angebote nicht selbständig nutzen können."

    Anbieter sollten Verantwortung für einen Support ihrer Online-Angebote übernehmen

    Lange Zeit war der Hauptgrund Älterer, nicht online zu gehen, dass sie darin keinen Nutzen für sich sähen und so etwas nicht brauchen würden. Das ändert sich gerade und wird in Zukunft noch spürbarer werden. Der zweithäufigste Grund ist, dass die digitalen Anwendungen zu kompliziert sind und man sich die sichere und fehlerfreie Nutzung nicht zutraue und daher so lange es geht verzichtet. Das sähe anders aus, wenn es eine Hilfegarantie bei Problemen gäbe. Bildlich gesprochen: Vorsichtige Menschen begeben sich erst dann auf ein Schiff, wenn sie sehen, dass es ein Rettungsboot gibt, bzw. man gehen am Meer erst dann ins Wasser, wenn sie einen DLRG Stand sehen.

    Online-Anbieter sollten für den Support sorgen

    In meinem Beitrag vom 24.10.2024 habe ich anläßlich des Digital Gipfels das Verhalten vieler Online-Anbieter kritisiert, dass sie sich darauf verlassen, dass die Wohlfahrtsverbände, Kirchen und kommunale Stellen den Verbraucherinnen und Verbrauchern die für die Nutzung ihrer Online-Angebote erforderlichen digitalen Kompetenzen vermitteln und bei Nutzungsproblemen einen Support anbieten. Das alte Muster:Digitalisierungsgewinne einstreichen und Digitalisierungskosten abwälzen! erkennt man auch hier.

    In dem Beitrag vom 16.10.2023 habe ich über die Forderungen der Landesseniorenvertretung NRW und der Initiative Wir Verbraucher in NrRW berichtet, die in ihrem Forderungskatalog an die Landesregierung einen solchen Beitrag der Anbieter fordert:

    8 | Digitale Wirtschaft in die Pflicht nehmen
    "Handel, Banken, Dienstleistende: Die zunehmende Digitalisierung lässt immer noch viele Menschen zurück. Grundsätzlich müssen die Programme nutzerorientiert entwickelt, erprobt und umgesetzt werde. Zudem müssen die Unternehmen, die online agieren, in die Pflicht genommen werden. Dazu gehört die finanzielle Beteiligung an Trainingsangeboten, sowie deren Organisation. Generell sollten Banken Schulungen für den Umgang mit Online-Banking anbieten. Darüber hinaus sollten Online-Angebote leicht verständlich gestaltet sein und bei Nutzungsproblemen telefonischer Support geboten werden."

    Dafür sollte sich auch die Bremische Seniorenvertretung einsetzen

    Für eine solche zukunftsweisende Lösung sollte sich auch die Bremische Seniorenvertretung einsetzen. Dabei macht es wenig Sinn, von jedem einzelnen Onlineanbieter, hier im Einzelhandel, einen eigenen Support für seine Angebote zu fordern, wie es die Sparkasse Bremen tut. Vielmehr sollte es um eine gemeinschaftlich organisierte Support-Infrastruktur gehen. Als erster Schritt dazu könnte die Seniorenvertretung die Initiative ergreifen den Senat oder den für Verbraucherfragen zuständigen Bürgerschaftsausschuss bitten, einmal die Handelskammer und die verschiedenen Handelsverbände, die Wohlfahrtsverbände sowie die Verbraucherzentrale zu einer Anhörung einzuladen, in der diese darlegen, wie ihrer Ansicht nach eine Kompetenzvermittlung und ein Support bei Nutzungsproblemen bei Online-Bestellungen und Online-Apps gemeinschaftlich organisiert und finanziert werden kann. Das wäre ein gutes Beispiel für verantwortungsvolle Digitalisierung in der Sozialen Marktwirtschaft.

    Weitere Infos: