Digitale Teilhabe 65 plus

Beobachtungen, Gedanken, Fragen und Tipps
zur Überwindung der Alterslücke bei der Nutzung von digitalen Medien

Portrait: Herbert Kubicek
Prof. Dr. Herbert Kubicek
Jahrgang 1946
Über mich
04.10.2022

Was ist Digitale Teilhabe - Ziel oder nur Mittel und wofür?

Eine Kombination aus mehreren Überschriften mit den Bestandteilen digitale und soziale Teilhabe

Wenn es um die geringere Internetnutzung bestimmter Bevölkerungsgruppen geht, wird oft von Digitaler Spaltung oder Exklusion gesprochen und davon dass bei der Digitalisierung niemand abgehängt oder ausgeschlossen werden darf. Als Ziel wird dann häufig die Digitale Teilhabe aller genannt. Aber man findet kaum Definitionen dieses Begriffs. Der Achte Altersbericht mit dem Titel "Digitalisierung und ältere Menschen" definiert in dem Abschnitt »Digitale Teilhabe« den Begriff nicht, sondern betont nur die Voraussetzungen:

»Einen Zugang zum Internet zu haben, digitale Technologien zu nutzen und kompetent damit umgehen zu können, ist heute in vielen Bereichen des alltäglichen Lebens eine wesentliche Voraussetzung für gesellschaftliche Teilhabe« ( S. 13).Das klingt für mich eher nach digitaler Teilnahme als Teilhabe.

Bubolz-Lutz und Stiel geben in ihrem Bericht über ein quartiersbezogenes Projekt zu Digitaler Teilhabe folgende Deutung wieder: »Digitale Teilhabe meint, dass Menschen an der Nutzung und Gestaltung des Internets, digitaler Medien und moderner Technologien beteiligt sind. Digitale Teilhabe setzt sowohl Zugangsmöglichkeiten als auch Technik- und Medienkompetenz voraus, um digitale Technologien zu verstehen, bedienen und informierte Entscheidungen über das eigene Verhalten treffen zu können« (S. 20). Gestaltung des Internet als Bestandteil digitaler Teilhabe geht sehr weit und ist nur einem ausgewählten Kreis von Expertinnen und Experten vorbehalten, aber auch eine Beteiligung an der Gestaltung einzelner Anwendungen im Internet im Sinne von partizipativer Technikentwicklung oder Co-Creation ist selten und in der Breite nicht erreichbar.

Im ersten Kapitel meines Buches "Digitale Teilhabe" schlage ich vor, zunächst zu klären, worum es bei analoger Teilhabe geht. Bei der Verwendung des allgemeineren Begriffs der Teilhabe in der Sozialpolitik, Sozialarbeit und Sozialpädagogik schwingen zur Abgrenzung zwischen Teilnahme und Teilhabe oft drei Aspekte mit:

- Selbstbestimmung der Teilnahme: Die Betroffenen sollen selbst bestimmen können, woran sie teilnehmen und teilhaben möchten,

- Chancengleichheit oder -gerechtigkeit: Maßstab ist die Teilnahme anderer, denen gegenüber es keine Benachteiligung geben soll,

- eine staatliche Verantwortung oder Verpflichtung zur Gewährleistung ermöglichender Rahmenbedingungen in Form der erforderlichen technischen und institutionellen Infrastruktur sowie der individuellen Befähigung durch Qualifizierung und Assistenz.

Konkret muss dann geklärt werden, woran diese Teilhabe erfolgen soll. Es kann ja nicht jede Art von Internetnutzung gemeint sein. Falschmeldungen, Hassreden, Aufwiegelung und Drohungen im Netz befördern die soziale Spaltung der Gesellschaft.

In den Sozialwissenschaften und der Politikwissenschaft ist zumeist gesellschaftliche Teilhabe der Oberbegriff für soziale, politische, wirtschaftliche und andere wie zum Beispiel kulturelle oder gesundheitliche Teilhabe, die jeweils unterschiedliche Ermöglichung und Förderung auf der Ebene der Individuen, der Organisationen und der gesellschaftlichen Rahmenbedingungen erfordern. Diese Teilhabe kann analog und/oder digital erfolgen. Es geht also um digitale soziale, digitale wirtschaftliche, digitale politische Teilhabe u.ä., deren Ermöglichung ebenfalls unterschiedliche Wege erfordert.

Diese Unterscheidung bietet erste Anknüpfungspunkte für die im Achten Altersbericht geforderten Standards für die Inhalte der Förderung digitaler Kompetenzen als Voraussetzung für Digitale Teilhabe. Die Nutzung eines Messengerdienstes und einer Suchmaschine, die den Inhalt der meisten Angebote für ältere Menschen bilden, ist nur mein Teil digitaler sozialer Teilhabe, aber zum Beispiel keine digitale wirtschaftliche Teilhabe. Was jeweils im Einzelnen dazu gehört und gehören sollte, lässt sich am besten aus dem Stand der Diskussion um die (digitale) Daseinsvorsorge ableiten. Darauf gehen das zweite Kapitel in dem Buch und mein Beitrag in der nächsten Woche ein.

Über Kommentare zu diesen Überlegungen würde ich mich wirklich freuen

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