Interneterfahrungsorte brauchen hinführende und nachsorgende Maßnahmen- Bremer Studie mit über 11.000 teilnehmenden Senior:innen ermittelt die Bedarfe
Seit Anfang 2020 gibt es in Bremen das Netzwerk Digitalambulanzen, in dem inzwischen 30 Einrichtungen zusammen daran arbeiten, älteren Menschen, die das Internet nicht oder nur beschränkt nutzen, die erforderliche Unterstützung zu gewähren. Seit Juni 2020 wird das Netzwerk vom Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat als eines von 13 Regionalen Open Government Laboren gefördert.
ifib research wurde mit der wisssenschaftlichen Begleitforschung betraut. Um den erforderlichen Unterstützungsbedarf in den beiden Städten qualitativ und quantitativ genau zu ermitteln, wurde im April 2021 mit Unterstützung des Statistischen Landesamtes eine Umfrage bei der Bevölkerung ab 60 Jahre durchgeführt. Von rund 40.000 verschickten Fragebögen wurden 11. 331 (28%) ausgefüllt und ausgewertet. Die Ergebnisse sowie daraus abgeleitete Empfehlungen wurden nun in einem Bericht veröffentlicht. Neben vielen interessanten Details hat diese umfangreiche Erhebung drei strategisch wichtige Erkenntnisse geliefert, die auch für andere mittlere und größere Städte relevant sind:
- In beiden Städten gibt es bei den Offlinern Unterschiede zwischen den Stadtteilen, in der Stadt Bremen von sieben bis 27 Prozent. Damit wird die Überwindung der Alterslücke auch zu einer Aufgabe der Stadtentwicklung, deren Förderprogramme diese Aufgabe noch nicht berücksichtigen.
- Bisher dachte man, es müssten nur genügend gut erreichbare niedrigschwellige Lern- und Erfahrungsmöglichkeiten geschaffen werden, dann würden die älteren Offliner diese in Anspruch nehmen, sich digitale Kompetenzen aneignen und digital teilhaben können. Die Daten aus der Umfrage belegen, dass dies in zweifacher Hinsicht zu kurz gedacht ist:
- 36 bzw. 44 %Prozent der 2.079 Offliner haben angegeben, dass sie für sich keinen Nutzen sehen oder generell kein Interesse am Internet haben. 77 Prozent haben die Frage nach verschiedenen Formen der Unterstützung dementsprechend nicht beantwortet, weder eine bestimmte Form gewählt, noch gesagt sie hätten Unterstützung und deswegen keinen Bedarf. Wenn man keinen Nutzen erwartet, sucht man auch keinen Lern-und Erfahrungsort auf. Wie man diese Desinteressierten und skeptischen Seniorinnen und Senioren dafür gewinnen kann, ihre Vorurteile zu überprüfen, ist noch völlig ungeklärt.
- Daneben hat sich gezeigt, dass von denjenigen, die das Internet zumindest gelegentlich nutzen, die Hälfte dies nicht ganz alleine kann und immer wieder Unterstützung benötigt. Die Onliner wurden gefragt, welche Art der Hilfe sie sich bei auftretenden Problemen mit ihrem Gerät oder einzelnen Anwendungen wünschen.
- Mit einem Modell mit unterschiedlichen Annahmen für die Schätzung der Nachfrage in diesem Jahr wurde ein Minimum von 10.000 Hausbesuchen, 6.600 Anrufen bei einer Hotline und 5.000 Besuchen von Sprechstunden errechnet.
Diese Befunde sprechen nicht gegen Lern- und Erfahrungsorte, von denen es noch viel zu wenige gibt. Sie belegen jedoch, dass diese sowohl durch hinführende als auch durch nachsorgende dauerhafte Maßnahmen ergänzt werden müssen, wenn die Alterslücke deutlich verringert werden soll.
Der gesamte Bericht kann als pdf hier gelesen und heruntergeladen werden. Den Fragebogen können Sie im Word-Format herunterladen und gerne ohne Einschränkungen verwenden, dabei auch an ihre Bedürfnisse anpassen. Eine Genehmigung ist nicht erforderlich. Für eine Mitteilung im Kommentarfeld wäre ich dankbar
Die VHS Löhne hat den Fragebogen leicht abgewandelt im Oktober 2023 verwendet.Vgl. dazu den Beitrag vom 12. Dezember.