Digitale Teilhabe 65 plus

Beobachtungen, Gedanken, Fragen und Tipps
zur Überwindung der Alterslücke bei der Nutzung von digitalen Medien

Portrait: Herbert Kubicek
Prof. Dr. Herbert Kubicek
Jahrgang 1946
Über mich
27.05.2025

Neue SIM- Studie: Zuwächse bei der Nutzung - Nichts Konkretes zur Behebung der bestehenden Kompetenzdefizite

Wie schon 2022 hat der Medienpädagogische Forschungsverbund Südwest eine neue nationale Studie Senioren, Medien, Internet (SIM) vorgelegt. Ein Vergleich der Daten zeigt deutliche Zunahmen beim Anteil der Onliner, der Häufigkeit der Nutzung in allen höheren Altersgruppen und auch eine leichte Steigerung der digitalen Kompetenzen insgesamt. Dies wird in der Präsentation der wichtigsten Ergebnisse auf einer Veranstaltung des DigitalPakt Alter in der vergangenen Woche gut deutlich, die als pdf hier heruntergeladen werden kann. Aber dennoch besteht weiterhin großer Unterstützungsbedarf, vor allem bei den Hochaltrigen. Und da wirft der Bericht einige grundlegende Fragen zur bisherigen Förderung auf.

Das Nutzen-Nutzungs-Paradox zeigt sich auch hier

Als Nutzen-Nutzungs-Paradox bezeichne ich das in der Digital-Skills-Gap-Studie der Initiative D21 betonte "Innovativeness-Needs-Parado, das darin besteht, dass ältere Menschen häufiger auf die technischen Innovationen verzichten, von denen sie am meisten profitieren könnten, bzw. die Anwendungen kaum oder nicht nutzen, die ihnen einen großen Nutzen stiften können. Bei der Frage nach der Nutzung bestimmter Anwendungen stehen Informations- und Kommunikationsdienste in allen Altersgruppen an der Spitze, Online-Banking und Online-Shopping werden hingegen deutlich weniger genutzt, obwohl gerade ältere Mensch, insbesondere mit Mobilitätseinschränkungen sich damit den Alltag erleichtern könnten. Die konkreten Befunde:

  • Whats-App und andere Nachrichtendienste insgesamt 91%,
    Altersgruppe 80+ 64%
  • Suchmaschinen nutzen 94%
  • E-Mail schreiben und empfangen 90%, 80+ 85%

  • ABER:
  • Online-Banking insgesamt 60%, 80+ nur 39%
  • Über das Internet Waren einkaufen insgesamt 67%, 80+ nur 26%
  • Das liegt m.E. an der vorherrschenden Form der Förderung von Digitalen Kompetenzen und fehlendem bedarfsgerechtem Support durch die jeweiligen Dienstanbieter.

    Mehr Basiskompetenzen, große Lücken bei Problemlösung

    Die SIM-Studie unterscheidet zutreffend zwischen Kenntnissen und Fähigkeiten. Über sehr gute oder gute Kenntnisse verfügen bei verschiedenen Punkten im Durchschnitt rund 50%. In selbst gegebenen Schulnoten zeigt sich im Vergleich zu 2022 eine Verbesserung von 3,8 auf 3,5, also immer noch nur "ausreichend". Aber der Abstand zwischen der jüngsten und der ältesten Altersgruppe beträgt bis zu 40 Prozentpunkte:

    Dasselbe gilt für die Fähigkeiten:

    Wir sollten nicht den Anspruch haben, dass alle Hochaltrigen über alle diese Fähigkeiten verfügen. Aber sich Lösungen bei technischen Problemen suchen oder die eigenen digitalen Fähigkeiten erweitern zu können, dass sollte im Sinne der Hilfe zur Selbsthilfe schon ein Ziel der Kompetenzentwicklung bei allen Altersgruppen sein. Das hat etwas mit der Selbstwirksamkeit zu tun, die ganz entscheidend für die Bereitschaft ist, auch die komplexeren Anwendungen zu nutzen. Das zeigen auch die Antworten auf die entsprechende Frage nach der empfundenen Selbstwirksamkeit: 56% über alle Altersgruppen trauen sich nicht zu, auftretende technische Probleme zu erkennen und zu beheben, und noch einmal 24% tun dies nur teilweise. Die Digital-Skills-Gap-Studie hatte bei einem ähnlichen Befund empfohlen, in Zukunft bei der Kompetenzförderung den Fokus auf die Problemlösungskompetenzen zu legen. Aber wie in dem Kommentar vom 10.Mai kritisiert, will die gleiche Initiative D 21 aktuell mit der vorgeschlagenen Nationalen Digitalen Kompetenzoffensive 80% der Bevölkerung Basiskompetenzen vermitteln.

    Was kann man aus der Studie für zukünftige Maßnahmen lernen?

    In der SIM Studie wurde auch wieder nach der erhaltenen Unterstützung gefragt. Insgesamt geben 85% an, Unterstützung zu erhalten, mit eher geringen Abweichungen nach Alter, Bildung und auch Haushaltsgröße.

    Die kommt fast auschliesslich aus dem persönlichen Umfeld. Nur neun Prozent nennen professionelle Dienstleister und nur zwei Prozent ehrenamtliche Personen. Wenn man "Unterstützung" so versteht, dass jemand einem bei einem auftretenden Problem hilft, dann dürfte die Hilf vor allem per Telefon oder vor Ort bei der Nutzung angefordert werden. Da gibt es wenig ehrenamtliche Angebote und professionelle sind, wie z.B. bei der Telekom, kostenpflichtig. Ich habe schon öfter gefordert, dass in den ehrenamtlchen Strukturen der Erfahrungsorte auch eine Hotline angeboten wird und auf Beispiele verwiesen, zuletzt in der Story über das Berliner Info-Telefon. Es kann auch sein, dass es sich bei den zwei Prozent um das Aufsuchen einer Sprechstunde in einem Erfahrungsort handelt. Das würde auf eine unerwartet geringe Reichweite und Wirksamkeit hindeuten und sollte bei der nächsten Folgestudie genauer erfragt werden.

    Wenn man den Begriff "Unterstützung" wörtlich nimmt, dann handelt es sich nicht um einen primären Kompetenzerwerb. Bei den festgestellten großen Kompetenzdefiziten wäre es interessant gewesen zu erfahren, wo diese lückenhaften Kompetenzen erworben wurden und warum da nicht mehr erreicht wurde. In der Bremer Umfrage 2022 wurde nach den Wegen des Kompetenzerwerbs gefragt. Auf die Frage, wie sich die Onliner ihre Fähigkeiten zur Nutzung des Internets und der Geräte angeeignet haben, haben gesagt

    Schade dass eine medienpädagogische Studie nicht ähnliche Fragen gestellt hat. Denn dann wäre die logisch konsequente Frage, warum bei den Förderprogrammen von Bund und Ländern immer noch der Schwerpunkt auf Erfahrungsorten und Ehrenamtlichen gelegt wird. Die Kommission für den Achten Altersbericht hatte mehr Professionalisierung und Diversifizierung empfohlen. Das hatte ich in meiner Evaluation der ersten 150 Erfahrungsorte aufgegriffen, aber ein Patentrezept und einen Masterplan für alle unterschiedlichen Bedarfe und eine höhere Wirksamkeit der bestehenden Angebote habe ich auch nicht. Aber von einem medienpädagogischen Forschungsverbund sollte man mehr erwarten dürfen als die recht allgemeinen Empfehlungen im Titelbild. Denn es reicht nicht, pauschal die Kompetenzförderung als Daseinsvorsorge zu fordern. Es wäre schon hilfreich, wenn medienpädagogisch begründet würde, wer dabei was und wie für welche Bedarfslagen beitragen könnte.

    Weitere Infos: