Digitale Teilhabe 65 plus

Beobachtungen, Gedanken, Fragen und Tipps
zur Überwindung der Alterslücke bei der Nutzung von digitalen Medien

Portrait: Herbert Kubicek
Prof. Dr. Herbert Kubicek
Jahrgang 1946
Über mich
10.05.2025

Digital Only PLUS Teil 2 - Warum die angekündigte Kompetenzoffensive um Unterstützungsangebote erweitert werden sollte

Quelle: ChatGPT 2025 Zeichnung zum Thema "Digital abgehängte"

Es ist sehr zu begrüßen, dass die neue Bundesregierung den Vorschlag für eine Nationale Digitale Kompetenzoffensive" der Initiative D21 in ihrem Koalitionsvertrag (pdf) aufgegriffen hat. Dort steht - wenig überraschend - noch nichts über konkrete Ziele und Maßnahmen. Für den Fall, dass sich der zuständige Minister an dem Vorschlag der Initiative21 orientiert, möchte ich Zweifel an der Erreichbarkeit und Wirksamkeit anmelden und auf notwendige Ergänzungen hinweisen. Der konkrete Inhalt erscheint mir vor allem im Hinblick auf die digitale Teilhabe älterer Menschen. ergänzungsbedürftig.

Basiskompetenzen bei 80 Prozent der Bevölkerung bis 2030?

Die EU-Kommission hatte bereits 2021 als eines der messbaren Ziele für die ausgerufene Digitale Dekade vorgegeben, dass bis zum Jahr 2030 80 Prozent der Bevölkerung über digitale Grundkompetenzen verfügen sollen. Die österreichische Bundesregierung hat dazu 2023 eine Digitale Kompetenzoffensive auf den Weg gebracht. Eine solche Offensive fordert nun die Initiative D 21 von der neuen Bundesregierung. Die von der EU Kommission übernommene Zielmarke von 80% Basiskompetenzen halte ich angesichts der Altersstruktur der Bevölkerung für unrealistisch. Eine solche Quote ist mit der Fortführung und Ausweitung des DigitalPakt Schule bei Schülerinnen und Schülern erreichbar, aber nicht bei den rund 22 Millionen Menschen ab 65 bis weit über 90 Jahre. Dagegen sprechen

Die Kommission für den Achten Altersbericht beschreibt die gegenwärtige Landschaft der Förderung digitaler Kompetenzen als „insgesamt heterogen, unübersichtlich und instabil“ und empfiehlt eine Professionalisierung und Diversifizierung, auch im Hinblick auf altersgerechte Assistenzsysteme und andere digitale Technologien neben dem Internet.

Nach der Bremer Umfrage zur Internetnutzung spielen die oft als Erfahrungsorte bezeichneten informellem Angebote eine vergleichsweise geringe Rolle beim Kompetenzerwerb älterer Menschen:

Basiskompetenzen reichen nicht für digitale Teilhabe

Ganz gleich wo die Basiskompetenzen erworben wurden, sie befähigen zumindest die Mehrheit älterer Menschen nicht zur Erreichung der genannten Ziele, weder zum Erkennen von Fake News noch zur Nutzung der Onlinedienste, die das alltägliche Leben erleichtern. Im Digital Index der Initiative D21 werden Basiskompetenzen definiert als die Fähigkeit,

Die Digital-Skills-Gap-Studie der Initiative D21 hat neben diesen Basiskompetenzen, Verständniskompetenzen erfragt, die z.B. erforderlich sind, um Fake News zu erkennen, und Problemlösungskompetenzen um sich bei auftretenden Problemen selbst Hilfe im Internet zu suchen. Erst dann kann von einer souveränen Nutzung gesprochen werden. Bei den Handlungsempfehlungen heißt es dementsprechend:

"Die Vermittlung digitaler Kompetenzen muss sich viel stärker auf „Verständniskompetenzen“ konzentrieren, da Anwendungskompetenzen in der Bevölkerung bereits größtenteils vorhanden sind. Problemlösungskompetenzen sollten dabei im Fokus stehen.“

Problemlösungskompetenz ist nicht etwas, was nur Profis brauchen, sondern nach meiner Überzeugung der Schlüssel zur digitalen Teilhabe für alle. Sie ist Ausdruck der Selbstwirksamkeit, die Psychologen für einen wichtigen Einflussfaktor auf die Bereitschaft zur Nutzung neuer Technologen halten. Die folgende Abbildung soll dies zeigen:

Ein häufiger Grund, das Internet insgesamt oder die höherschwelligen Anwendungen nicht zu nutzen, ist die erwartete Komplexität der Anwendungen. Dann kommt es auf das Selbstvertrauen an, diese Komplexität auch bewältigen zu können, also über Problemkompetenz zu verfügen. Wenn man darüber nicht verfügt, entsteht ein Unterstützungsbedarf, und nur wenn es entsprechende Angebote gibt, entsteht die Bereitschaft zum Kompetenzerwerb. Daher kommt es darauf an, ein flachendeckendes Netz an bedarfsgerechten Unterstützungsangeboten für die sehr unterschiedlichen Bedarfe aufzubauen. Die BertelsmannStiftung hat von einer Assistenzinfrastruktur gesprochen.

Unterstützungsbedarf und -angebote

Wie die in der Abbildung ausgewiesenen Zahlen aus dem aktuellen Digital-Index zeigen, sind die Problemlösungskompetenzen bei den höheren Altersgruppen besonders gering ausgeprägt, der Unterstützungsbedarf entsprechend hoch. In Abhängigkeit von den körperlichen und geistigen Ressourcen sind Sprechstunden, eine Hotline oder Hausbesuche bedarfsgerecht. Wie an anderer Stelle berichtet ist der in der Bremer Umfrage ermittelte Gesamtbedarf riesig, die Bemühungen ihm zu entsprechen, nicht zuletzt wegen der fehlenden Einwirkungsmöglichkeiten auf die in Frage kommenden Träger und die damit verbundenen Kosten, jedoch viel zu gering. Daher verwundert es nicht, wenn das Digitalpolitische Monitoring der Initiative D21 zu dem Ergebnis kommt: "Deutschland verfehlt wichtige Kernziele für die Digitale Gesellschaft - Gesellschaftliche Spaltung bleibt bestehen - Digitalkompetenzen: Keine Verbesserung."

Daher beinhalten die Digiitalpolitischen Forderungen der InitiativeD21 nicht nur die Nationale Digitale Kompetenzoffensive, sondern auch Unterstützungsangebote:

"Wir wissen: In Deutschland zählen 15 % der Bevölkerung zu den „Digitalen Vermeider*innen“. Die Forderung nach einem „Recht auf Analog“ ist nachvollziehbar, aber der falsche Weg. ... Stattdessen setzen wir auf ein inklusives „Digital Only“, das allen Bürger*innen echten Zugang zu digitalen Verwaltungsleistungen ermöglicht – auch jenen mit digitalen Hürden."

Leider git es dazu keine ähnliche Konkretisierung wie zu der Kompetenzoffensive. Daher sollte nun genauer geklärt werden, welche Art von Unterstützungsleistung für wen bei was genau erforderlich ist , wer sie im einzelnen erbringen kann und wie das alles finanziert werden soll.

Der Bedarf ist riesig

Unterstützungsbedarf haben nicht nur die sechs Prozent Offliner und die genannten 15 Prozent "Vermeidende.". In der Bremer Umfrage zur Internetnutzung mit ca.12.000 Personen über 60 Jahre haben von den 9.500 Onlinern rund 50% Prozent gesagt, dass sie gelegentliche Hilfe benötigen. Weil diese Umfrage auch dazu diente den lokalen Unterstützungsbedarf genauer zu ermitteln wurde konkret nach Themen und Formaten für eine bedarfsgerechte Unterstützung gefragt.. Die folgende Abbildung gibt die Ergebnisse wieder.

Weil nicht alle, die in einer Umfrage einen Bedarf angeben, tatsächlich ein Angebot nutzen, wurden die Angaben für eine realitätsnahe Bedarfsermittlung in mehreren Szenarien korrigiert. In dem Minimalszenario wurde angenommen, dass nur 20 Prozent tatsächlich ein Angebot nutzen und zwei Hausbesuche im Jahr bekommen, drei mal die Hotline anrufen bzw. drei mal eine Sprechstunde im Jahr aufsuchen. Es ist offensichtlich, dass diesem Bedarf in Bremen nicht wie bisher in erster Linie mit Freiwilligen in Einrichtungen der Wohlfahrtspflege, Sozialverbänden, Kirchen und Initiativen entsprochen werden kann. In diesem Zusammenhang möchte ich an meinen Beitrag anlässlich des Digital Gipfel im vergangenen Oktober erinnern und noch einmal fragen: Ist es eine zukunftsfähige Arbeitsteilung, wenn die Digitalwirtschaft die Angebote macht und die Zivilgesellschaft für die erforderlichen Kompetenzen zur Nutzung sorgen muss?

Im dritten und letzten Beitrag versuche ich eine Antwort.

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