Digitale Teilhabe 65 plus

Beobachtungen, Gedanken, Fragen und Tipps
zur Überwindung der Alterslücke bei der Nutzung von digitalen Medien

Portrait: Herbert Kubicek
Prof. Dr. Herbert Kubicek
Jahrgang 1946
Über mich
21.02.2023

Das Glas ist halb voll und halb leer
Ergebnisse der Evaluation von 150 Erfahrungsorten im DigitalPakt Alter

Die sogenannte Wirkungstreppe zur Beurteilung der Zielerreichung von Projekten. Eine treppenartige Stufung der verschiedenen Teilziele des Förderprogramms und ihrer Erreichung

Anlass und Aufgabe

In dem vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) und der Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen (BAGSO) 2021 gegründeten DigitalPakt Alter wurden unter anderem in zwei Runden 2021 zunächst 100 und 2022 weitere 50 Einrichtungen als sogenannte Erfahrungsorte für ein eigenes konzipiertes Projekt mit 3.000 bzw. 2.000 Euro befristet gefördert. Das Ziel bestand darin, älteren Menschen niedrigschwellig digitale Kompetenzen zu vermitteln, Interesse zu wecken, Ängste abzubauen und positive Erfahrungen zu ermöglichen. Für dieses Programm wurde eine wissenschaftliche Evaluation ausgeschrieben und das ifib ausgewählt. Nun hat die Geschäftsstelle eine Kurzfassung der Evaluationsergebnisse in Form einer PowerPoint-Präsentation veröffentlicht und den fast 200 Seiten umfassenden ausführlichen Bericht bereitgestellt.

Methode

Mit einer Online-Befragung von Leitungskräften der Träger, von dort tätigen Helfenden und von Teilnehmenden sollte die Arbeit der 150 Erfahrungsorte erfasst und bewertet werden, die durch überwiegend ehrenamtliche Multiplikatorinnen und Multiplikatoren ältere Menschen beim Erwerb digitaler Kompetenzen niedrigschwellig begleiten. Schwerpunkte waren Angaben zum zeitlichen Aufwand, zur Reichweite und zum Erreichen der Ziele, die sich die 150 Erfahrungsorte in ihren geförderten Projekten gesteckt hatten. Die Stichprobe mit 86 Leitungskräften und 130 Helfenden dürfte im Hinblick auf die Art der Einrichtungen und Träger sowie die Struktur der Helfenden und die inhaltlichen Angebote weitgehend der Lage in der Bundesrepublik entsprechen.

Die Ziele wurden erreicht - Das Glas ist halb voll

Mit der Förderung sollte die Vielfalt der aktiven Einrichtungen in Ost und West und Stadt und Land erreicht werden. Die Daten zeigen, dass dies durch gute Werbung gelungen ist. Auch die erzielte Reichweite von hochgerechnet 10.,000 älteren Menschen ist als Erfolg zu bewerten. 49 Befragte beurteilen die Angebote mit „sehr gut“, 69 mit „gut“. Bei nur 127 ausgefüllten Fragebögen von geschätzten 10.000 Teilnehmenden sind diese Angaben allerdings nicht repräsentativ.

In der von der Geschäftsstelle veröffentlichten Kurzfassung werden weitere positive Befunde zusammengefasst. Das Glas ist jedoch nur halb voll, weil 10.000 erreichte ältere Menschen zwar nach viel klingt, aber immer noch ein Drittel der 18 Mio. Personen über 70 Jahre bisher das Internet nicht nutzt.

Das Glas ist (mehr als) halb leer

Die Evaluation war nicht nur an den jeweiligen Zielen der geförderten Einrichtungen orientiert, sondern sollte auch Defizite und Handlungsbedarfe im Hinblick auf das Ziel des DigitalPakt Alter, die digitale Teilhabe für alle, erfassen, wie sie insbesondere im Achten Altersbericht angesprochen werden. Die dort kritisierte mittel- und langfristig ungesicherte finanzielle Lage der Einrichtungen und der überwiegend ehrenamtlich Helfenden wird in der Umfrage deutlich bestätigt. Gefragt wurde auch, welche Teilgruppen der sehr heterogenen Gesamtheit älterer Menschen erreicht wurden und welche nicht und was getan werden muss, um die bisher nicht Erreichten einzubeziehen. Dabei handelt es sich zunächst um die schon länger im Fokus stehenden Angebote zur Befähigung zur Nutzung des Internet und von Apps zur Kommunikation, Information und Transaktion in Form von Online-Einkäufen, Buchungen und Ähnlichem. Hier wurde schon viel erreicht. Sehr rar und lückenhaft sind demgegenüber Angebote zu den neueren digitalen Möglichkeiten in den Bereichen Smart Home, Digitale Gesundheits- und PflegeApps sowie altersgerechte Assistenzsysteme, die nach dem Achten Altersbericht älteren Menschen einen längeren Verbleib in der eigenen Häuslichkeit ermöglichen. Obwohl in der Ausschreibung gezielt Projekte zu diesen Themen genannt wurden, ist der Anteil sehr gering. Dies dürfte auch daran liegen, dass diese Anwendungen überwiegend spezielle Hardware erfordern, um sie erfahrbar zu machen, und die zurzeit ehrenamtlich Helfenden in der Regel nicht die erforderliche fachliche Beratung leisten können.

Verstetigung, Diversifizierung und Professionalisierung noch in weiter Ferne

Die Kommission für den Achten Altersbericht sieht die Herausforderungen für die Nutzung der Chancen digitaler Technologien für eine Teilhabe älterer Menschen neben der finanziellen Verstetigung von Erfahrungsorten in einer Diversifizierung der Einrichtungen und einer Professionalisierung der personellen Unterstützung. Die letzten 50 Seiten des Berichts befassen sich mit diesen Herausforderungen. Viele habe ich in meinem Buch Digitale Teilhabe im Alter behandelt. Die Angaben der Leitungskräfte und Helfenden bestätigen diese Handlungsbedarfe deutlich. Zurzeit ist allerdings nicht erkennbar, wer diese wie aufgreift.