Digitale Teilhabe 65 plus

Beobachtungen, Gedanken, Fragen und Tipps
zur Überwindung der Alterslücke bei der Nutzung von digitalen Medien

Portrait: Herbert Kubicek
Prof. Dr. Herbert Kubicek
Jahrgang 1946
Über mich
22.01.2023

Altersgerechte Assistenzsysteme einmal anders dargestellt

Eine Zeichnung mit mehreren älteren Menschen, die Tablets und eine VR-Brille nutzen

Digitale Teilhabe im Alter ist mehr WhatsApp und Google

Kommunikation mit anderen und Information über Aktuelles und Interessantes sind wichtige Bestandteile sozialer Teilhabe und mit dem Internet geht das auch, wenn man im Alter nicht mehr viele persönliche Kontakte hat oder nicht mehr so mobil ist wie früher. Daher bilden vor allem diese beiden Themen den Schwerpunkt der Angebote von Interneterfahrungsorten und ähnlichen Einrichtungen zur Förderung digitaler Kompetenzen von Seniorinnen und Senioren. Auch andere Anwendungen wie Online-Einkaufen oder Online-Banking werden dort gezeigt, die einen längeren Verbleib in den eigenen vier Wänden ermöglichen. Doch es gibt weitere technische Möglichkeiten für digitale Teilhabe über Information, Kommunikation und Transaktionen im Internet mit Smartphone oder Tablet hinaus.

Altersgerechte Assistenzsysteme (AAS) und Smart Home

Unter dem Sammelbegriff AAL (für Ambient Assisted Living) werden schon lange digitale Assistenzsysteme entwickelt, die unaufdringlich, teilweise automatisch und aktiv in die häusliche Umgebung eingebettet sind und für mehr Sicherheit sorgen, Zeit und Wege ersparen, Informationen zum Gesundheitszustand erfassen u.a.m. Manche dieser Systeme werden auch unter dem Begriff Smart Home ( = intelligente Wohnumgebung) behandelt. In der Fachliteratur wird diesen Systemen überwiegend ein großer Nutzen für ein selbständiges Leben im Alter zugesprochen. Doch die tatsächliche Nutzung bleibt weit hinter den Erwartungen zurück.

Die Kommission für den Achten Altersbericht behandelt solche Systeme differenziert in sechs Handlungsfeldern:

  • Wohnen: Sicher und selbstbestimmt leben durch Notrufsysteme, Smart Home- Anwendungen zur Steuerung von Licht, Tür- und Fensteröffnungen, Kameras und anderen elektrischen Geräten, einfache Haushaltsroboter wie autonome Staubsauger oder Assistenzroboter im Haushalt.
  • Mobilität: Selbständigkeit erhalten mit Hilfe von Tracking und Navigation, Bewegungstraining und assistierten Mobilitätshilfen.
  • Soziale Integration: Miteinander – aber anders, nämlich durch digitale Kommunikationsmedien, soziale Netzwerke, auch gegen Einsamkeit.
  • Gesundheit: Neue Wege der Versorgung, durch E-Health-Angebote wie Fitness-Armbänder oder Serious Games (digitale Lernspiele), digitale Informationssysteme für Patientinnen oder Patienten oder virtuelle Arztbesuche, die den Zugang zu medizinischer Versorgung erleichtern können oder Monitoring-Apps für die Überwachung chronisch erkrankter Personen.
  • Pflege: Unterstützen, nicht ersetzen durch Telemedizin, Apps zur Präventions- und Rehabilitationsunterstützung, robotische Pflegeassistenten und Systeme für die häusliche Pflege.
  • Sozialraum: Verbinden und vernetzen insbesondere durch Quartiers- und Nachbarschaftsplattformen und vergleichbare Zugänge zu verschiedenen Dienstleistungen im ländlichen Raum.
  • Technische Hilfsmittel im sozialen Kontext

    In den Darstellungen der technischen Möglichkeiten für Beratungsstellen und potenziell Nutzende werden zumeist die technischen Funktionen und grundsätzlichen Einsatzmöglichkeiten dieser digitalen Systeme beschrieben. Doch anders als bei Anwendungen im Internet, die alle mit dem gleichen Tablet oder Smartphone genutzt werden können, geht es hier um eine Vielzahl unterschiedlicher Geräte, die teilweise an passenden Orten in der Wohnung installiert werden müssen, deren Nutzung fachliche Unterstützung erfordert, die gewartet werden müssen und deren Anschaffung mehrere Hundert Euro betragen kann. Auch geht aus den Beschreibungen zumeist nicht hervor, wer in welcher Situation den versprochenen Nutzen realisieren kann und wer eher nicht. Dieser Nutzen entsteht meistens nicht durch ein einzelnes technisches Hilfsmittel, sondern in Verbindung mit anderen technischen Systemen und personellem Support.

    Als die Hessische Staatskanzlei und das Hessische Ministerium für Digitale Strategie und Entwicklung eine Information für Beratungsstellen und Fachkräfte in der Pflege- und Wohnberatung zu AAS erstellen wollten, entstand die Idee, die Nutzung und den Nutzen ausgewählter Systeme in Form von Szenarien darzustellen.

    .

    Meine Kollegin Juliane Jarke und ich haben rund 30 Systeme aus den im Achten Altersbericht genannten Bereichen ausgewählt und sie zehn ganz unterschiedlichen Personen zugeordnet, die daraus einen konkreten Nutzen in ihrer Situation erzielen können. Diese "Personas" unterscheiden sich nach Alter, Gesundheitszustand, Wohnsituation und sozialem Umfeld. Ihnen wurden dann zwei bis drei digitale Systeme zugeordnet, für die jeweils sechs Aspekte in den Szenarien beispielhaft geschildert werden:

  • Anlass und Bedarf,
  • Anstoß und Empfehlung durch wen,
  • Funktionalität,
  • Beschaffung und Installation,
  • Nutzungserfahrung sowie
  • Wartung und Support.
  • In einem Online-Workshop mit Fachkräften aus der Pflege- und Wohnberatung wurden diese Szenarien daraufhin geprüft, ob die Annahmen realistisch sind und teilweise modifiziert.

    Umfangreicher Bericht und kurze Illustrierte Fassung

    Anlass, Hintergrund, Vorgehen und die Szenarien im Umfang von jeweils vier bis fünf Seiten Text sind in einem 80 Seiten umfassenden Bericht dargestellt, der "hier" heruntergeladen werden kann. Für diejenigen, die kurz und knapp die Szenarien anschauen wollen und dazu auch gerne Bilder haben möchten, haben die Staatskanzlei und das Ministerium eine Kurzfassung erstellen lassen. Aus wettbewerbsrechtlichen Gründen konnten von uns vorgeschlagene Fotos ausgewählter Produkte nicht übernommen werden. Das liegt nicht an Urheberrechten an den Fotos, sondern daran, dass Hersteller ähnlicher Produkte mit Recht fragen können, warum nicht ihr Produkt ausgewählt wurde und Konkurrenten so einen Wettbewerbsvorteil erlangen. Daher wurde ein Grafikbüro beauftragt, Zeichnungen typischer Nutzungssituationen anzufertigen. Und das ist nach unserer Einschätzung sehr gut gelungen. Alleine dafür lohnt sich ein Blick in die Broschüre.

    Ansehen