Digitale Teilhabe 65 plus

Beobachtungen, Gedanken, Fragen und Tipps
zur Überwindung der Alterslücke bei der Nutzung von digitalen Medien

Portrait: Herbert Kubicek
Prof. Dr. Herbert Kubicek
Jahrgang 1946
Über mich
27.05.2022

Eine folgenschwerere Bestätigung: Der Einfluss der Mobilität auf die Internetnutzung und den Kompetenzerwerb

Säulendiagramm der Onliner und Offliner in Abhängigkeit von der Mobilität (von sehr gut bis schlecht)

In der Bremer Umfrage wurde bei den Einflussfaktoren auf die Internetnutzung erstmals auch nach der körperlichen und geistigen Verfassung gefragt, weil angenommen wurde, dass Menschen mit entsprechenden Einschränkungen das Internet seltener nutzen, obwohl sie damit einen größeren Nutzen erzielen, weil sie einen Teil ihrer Schwierigkeiten im Alltag kompensieren können. Daraus kann je nach Art der Einschränkung ein unterschiedlicher spezifischer Unterstützungsbedarf resultieren.

Für Sehbehinderte und Hörgeschädigte muss sichergestellt sein, dass die Internetseiten auch barrierefrei sind. Bei Menschen mit Mobilitätseinschränkungen liegen die Barrieren hingegen nicht im Internet und seinen Anwendungen, sondern auf dem Weg dahin. Wer gehbehindert ist oder im Rollstuhl sitzen muss, wird dadurch nicht in der Internetnutzung behindert, aber beim Erwerb der erforderlichen Kompetenzen. Das häufigste Format für die Förderung von digitalen Kompetenzen und die nachsorgende Unterstützung sind Übungsgruppen und Sprechstunden in Internet-Erfahrungs- und -Lernorten. Die Barriere für ältere Offliner mit Mobilitätseinschränkungen besteht darin, dass man sie aufsuchen muss und dass sowohl der Weg dahin als auch die Räumlichkeiten nicht immer barrierefrei sind. Mobilitätseinschränkungen können zudem auch psychisch sein oder sich aus einem Pflegegrad ergeben. Wenn diese Annahmen zutreffen, müßten Menschen mit Mobillitätseinschränkungen zu einem größeren Anteil offline sein als solche ohne entsprechende Einschränkungen.

In der Umfrage hat sich diese Annahme bestätigt. Von den Teilnehmenden, die ihre Mobilität als „eher schlecht“ bezeichnen, sind 37 Prozent offline, wenn sie als „schlecht“ angegeben wird, sind es sogar 59 Prozent, im Gegensatz zu den 93 Prozent mit sehr guter Mobilität.

Wegen des sich daraus ergebenden Bedarfs an aufsuchender Unterstützung und der damit verbundenen Kosten kommt es bei diesem Aspekt besonders auf die Zuverlässigkeit der Daten an. Diese prüft man am besten durch den Vergleich mit einer zweiten Quelle. Dazu kommt aktuell die in diesem Jahr veröffentlichte SIM-Studie (Senior*innen, Information, Medien) des Medienpädagogischen Forschungsverbund Südwest in Frage. In dem Bericht wird die Mobilität allerdings nur im Text erwähnt. In der Umfrage wurde sie nach Schulnoten erhoben. Auf Vermittlung meines Kollegen Michael Doh von der Katholischen Hochschule Freiburg war der Forschungsverbund jedoch so freundlich, die Daten auf die Kategorien der Bremer Umfrage umzucodieren. Wie die einleitende Grafik oben zeigt, bestätigen diese Daten den Befund. Bei schlechter Mobilität liegt der Offliner-Anteil dort mit 39 Prozent zwar 20 Prozentpunkte unter den Bremer Daten. Aufgrund von statistischen Tests bestätigt der Verbund jedoch die Signifikanz dieses Einflusses.

Mehr Hausbesuche als Konsequenz

Der Zahl der Teilnehmenden mit Mobilitätseinschränkungen (1.577) entspricht in etwa den 20 Prozent, die sich Hausbesuche gewünscht haben (1.910). Diesem Wunsch steht allerdings derzeit in Bremen ein völlig unzureichendes Angebot entgegen. Nach der Partnerbefragung im Netzwerk Digitalambulanzen im November 2021 haben neun Partner in etwas mehr als einem Jahr 423 Hausbesuche durchgeführt. Davon entfielen 370 auf einen einzigen Netzwerkpartner. Diese Angebotslücke ist noch größer, als es auf den ersten Blick erscheint. Denn die 423 Hausbesuche wurden bei deutlich weniger Personen durchgeführt und die 1.910 Personen, die sich einen Hausbesuch wünschen, meinen vermutlich mehr als einen pro Jahr. Darauf und auf die entsprechende Hochrechnung geht der nächste Beitrag in der kommenden Woche ein.