Digitale Teilhabe 65 plus

Beobachtungen, Gedanken, Fragen und Tipps
zur Überwindung der Alterslücke bei der Nutzung von digitalen Medien

Portrait: Herbert Kubicek
Prof. Dr. Herbert Kubicek
Jahrgang 1946
Über mich
15.10.2024

Was kann man gegen die Nutzungslücke beim eGovernment tun? Aktionswoche in Hamburg und neue Daten

Foto aus einer Einkaufpassage in der Digitallotsen für eGovernmentdienste werben

Bildquelle: Senatskanzlei/Daniel Reinhardt (digital.hamburg.de/digitale-stadt)

Zufällig habe ich heute morgen im Radio auf NDR Info gehört, dass in Hamburg in dieser Woche eine besondere Aktion stattfindet, um die geringe Nutzung der über 200 Onlinedienste der Verwaltung zu steigern. Das passt zu den Ergebnissen der jüngsten Umfrage im eGovernment Monitor. Was halten Sie von dieser Aktion und wirkt sie auch bei Älteren?

Aktionswoche: Digitallotsen in der Einkaufspassage

In dem NDR-Beitrag betont der zuständige Finanzsenator Andreas Dressel, dass das digitale Angebot für die Hansestadt eine Win-Win-Situation für Bürgerinnen und Bürger und die Verwaltung sei und dieses Angebot aber noch besser bekannt gemacht werden muss. Das soll mit der Kampagne "Hamburg digital für Dich" erreicht werden Auf der dazu eingerichteten Web-Seite ist zu lesen:

„Die Digitalisierung der Hamburger Verwaltung entwickelt sich stetig weiter und immer mehr Online-Services stehen den Bürgerinnen und Bürgern zur Verfügung. Doch vielen ist nicht bewusst, welche vielfältigen digitalen Angebote es inzwischen gibt. Genau hier setzt die neue Marketingkampagne „Hamburg – digital für dich“ an, um diese Möglichkeiten bekannter zu machen und die Nutzung zu fördern. Am 14. Oktober startet die stadtweite Kampagne „Hamburg – digital für dich“. Bis Ende 2025 wird verstärkt auf die digitalen Verwaltungsdienste aufmerksam gemacht, durch einen vielfältigen Mix aus Plakaten, Fahrgast-TV und Social Media. Im Fokus steht dabei der neue zentrale Einstieg über www.hamburg.de/service.
Vom 14. bis 19. Oktober gibt es in der Europapassage ein besonderes Event. Im Erdgeschoss haben Hamburgerinnen und Hamburger die Gelegenheit, ihren Online-Ausweis, der für viele digitale Behördendienste benötigt wird, direkt vor Ort freizuschalten. Zudem stehen sogenannte Digital-Lotsen bereit, die über das breite Angebot an digitalen Services der Stadt informieren. Dieses zentrale Informationsangebot wird in Kooperation zwischen dem Amt für IT und Digitalisierung und dem Hamburg Service umgesetzt. Die Aktion soll den Bürgerinnen und Bürgern den Einstieg in die Nutzung digitaler Verwaltungsangebote erleichtern und den Umgang mit den Online-Diensten der Stadt vereinfachen.“

Daten aus dem neuen eGovernment Monitor

Neben dem Digital Index veröffentlicht die Initiative D21 auch jedes Jahr Umfrageergebnisse zur Nutzung von Onlinediensten der Verwaltung in Deutschland, Österreich und der Schweiz im eGovernment Monitor. Am 8. Oktober wurde der aktuelle Bericht veröffentlicht. In der Pressemeldung werden zwei zentrale Ergebnisse hervorgehoben:

In dem Bericht wird die Nutzungslücke nicht nach Altersgruppen differenziert. Auf Anfrage habe ich jedoch eine Unterscheidung nach "Generationen" erhalten (Abb.1)

Abb.1: Nutzung von Online Verwaltungsdiensten verschiedener Generationen
(Quelle Initiative D 21, Sonderauswertung aus eGovernment Monitor 2024)

In der Altersgruppe 69 bis 78 Jahre haben 32 Prozent noch nie Verwaltungsdienste online genutzt, in der Altersgruppe 79 und älter sogar mehr als die Hälfte (53 Prozent). Niedrige Nutzungsraten gibt es also nicht nur in Hamburg, sondern bundesweit. Aber kann eine solche Marketingkampagne das ändern und kann sie Vorbild für andere sein?

Kann man mit einer Marketingkampagne die Alterslücke bei der Nutzungslücke schließen?

Eine rhetorische Frage. Angesichts der sehr unterschiedlichen Gründe für die Nichtnutzung selbstverständlich nicht. Ich wollte daher schon die Ankündigung des Finanzsenators kritisch kommentieren und auf den Vorschlag für die Einrichtung von Service-Zentren für Offliner aus NRW hinweisen. In dem NDR-Beitrag betont Bezirksstaatsrat Alexander von Vogel, dass es Hilfestellung vor Ort weiterhin geben wird:

"Und gleichzeitig ist es uns sehr wichtig, dass wir für all diejenigen, die das nicht wollen, die das nicht können oder die einfach eine Frage und ein konkretes Problem haben, vor Ort ansprechbar bleiben."<7/>

Und das in vorbildlicher Weise:

Pilotprojekt mit Digitallotsen in Hamburger Kundenzentren

Auf der NDR Seite habe ich einen Hinweis auf genau so ein Angebot gefunden, wie ich es in der Anhörung im Landtag NRW am 9. September empfohlen habe: Seit April dieses Jahres helfen im Rahmen eines Pilotprojekts in den Kundenzentren in der Spitalerstraße und in der Lenhartzstraße Digitallotsinnen und -lotsen beim Freischalten des nPA, dem Laden der App sowie einzelnen Anwendungen und beantworten Fragen.

Diese Kombination von Aufmerksamkeits-Kampagne und dauerhaftem Support ist bisher einmalig und ein gutes Vorbild, dem andere Kommunen, auch Bremen, folgen sollten.

Bekanntlich ist das Gute ist immer noch steigerungsfähig. In meinen Empfehlungen für NRW habe ich noch einen ergänzenden Vorschlag gemacht:

Empfehlung 9
Für Menschen mit eingeschränkter Mobilität oder Orientierungsproblemen (leichte Demenz) sowie Menschen in Pflegeheimen sollte eine aufsuchende Unterstützung bei der Verlängerung von Ausweispapieren, Ummeldungen, Anträgen auf Sozialhilfe, Wohngeld u. ä. von den Kommunen angeboten werden. Auch hier erscheint zunächst eine Förderung von Pilotprojekten durch die Landesregierung im Rahmen des Programms Modellregionen hilfreich, bei denen u.a. technische Sicherheitsfragen bei der Nutzung mobiler Geräte durch die Beschäftigten der Verwaltung geklärt werden können."

Dies ist etwas mehr als nur eine Idee. Im Rahmen eines Pilotprojekts mit neuen Verwaltungsdiensten für ältere Menschen vor zehn Jahre wollte das Bremer Bürgeramt eine solche aufsuchende Unterstützung mit der Bremer Heimstiftung ausprobieren und hatte auch schon freiwillige Mitarbeitende gewonnen, eine Ausnahmegenehmigung der Landesdatenschutzbeauftragten und verhandelte mit der Bundesdruckerei über den Einsatz eines mobilen "Bürgerkoffers". Doch der Support dafür wurde genau zu diesem Zeitpunkt eingestellt und keine andere mobile Nutzung ermöglicht. Vielleicht gibt es heute technisch eine sichere Lösung.

Weitere Infos: