Digitale Teilhabe 65 plus

Beobachtungen, Gedanken, Fragen und Tipps
zur Überwindung der Alterslücke bei der Nutzung von digitalen Medien

Portrait: Herbert Kubicek
Prof. Dr. Herbert Kubicek
Jahrgang 1946
Über mich
06.10.2025

Nationale Kompetenzoffensive in der Konzeption ohne Haushaltsmittel - Neue Digital Skill Gap Studie 2025 und die Initiative in Österreich als Vorbild

Titelblatt der Digital Skill Gap Studie und der BT-Drucksache zur Kompetenzoffensive

Digital Skill Gap Studien belegen Bedarf für die Nationale Digitale Kompetenzoffensive

In dem Beitrag vom 10. Mai dieses Jahres habe ich auf die im Koalitionsvertrag (pdf) angekündigte Nationale Digitale Kompetenzoffensive hingewiesen, die auf eine Forderung der Initiative D21 vor der Bundestagswahl zurückgeht. Unter anderem habe ich das wenig anspruchsvolle Ziel von digitalen Basiskompetenzen bei 80% der Bevölkerung kritisiert, weil Basiskompetenzen nicht für souveräne Nutzung und Digitale Teilhabe reichen. In der Digital Skill Gap Studie von 2021 lautet eine der Empfehlungen:

"Die Vermittlung digitaler Kompetenzen muss sich sehr viel stärker auf „Verständniskompetenzen“ konzentrieren, da Anwendungskompetenzen bereits in der Bevölkerung größtenteils vorhanden sind. Problemlösekompetenzen sollten dabei im Fokus stehen."

Nun gibt es auf der Basis des Digital Index 2025 eine neue Digital Skill Gap Studie, die dieses Mal genauer die Gründe für die ungleiche Verteilung digitaler Kompetenzen im Zusammenhang mit verschiedenen Lebenslagen betrachtet. Neben der bekannten Abhängigkeit vom allgemeinen Bildungsstand wird ein Einfluss des Einkommens und der Wohnverhältnisse sichtbar:

"Nur 27 % der Menschen in schwierigen Wohnverhältnissen und 32 % der Einkommensschwachen besitzen digitale Basiskompetenzen. Zum Vergleich: In der Bevölkerung sind es 49 %. Ursachen sind fehlende Rückzugsorte, eingeschränkter Gerätezugang und mangelnde Unterstützung im Umfeld. Bildungsoffensiven allein reichen nicht – es braucht sozialpolitische Maßnahmen, die digitale Teilhabe systematisch ermöglichen."

Auch das Alter bzw. hier die Generation macht einen Unterschied:

In den Handlungsempfehlungen werden wieder einmal bedarfsgerechte Förderprogramme gefordert, die Bund, Länder und Kommunen planen, koordinieren und finanzieren sollen. Da stellt sich die Frage nach dem aktuellen Stand der Nationalen Digitalen Kompetenzoffensive.

Die Planung ist in der Konzeptphase ohne eingeplante Haushaltsmittel

Eine Antwort verdanken wir ausgerechnet einer Kleinen Anfrage der Bundestagsfraktion der AfD, nach deren Auffassung die angekündigte Initiative "primär der Stabilisierung des politischen Systems ebenso wie dem Funktionieren des wirtschaftlichen Systems" diene. Am 26. August antwortet die Bundesregierung über das federführende Bundesministerium für Bildung, Familie, Senioren, Frauen und Jugend auf die Frage:

"Hat die Bundesregierung, wie im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD angekündigt, bereits Maßnahmen zum Start einer „altersübergreifenden digitalen Kompetenzoffensive“ ergriffen ... ?

Die Fragen 1a bis 1d werden gemeinsam beantwortet. Die altersübergreifende digitale Kompetenzoffensive befindet sich aktuell in der Konzeptionsphase."

Die Frage, wann mit einer Strategie zu rechnen ist, wird nicht beantwortet. Ebenso wenig viele weitere Fragen. Das kann man im Download nachlesen. Aber zu zitieren ist hier folgende besorgniserregende Antwort auf die Frage:

"9. Wie viel Geld wird die Bundesregierung in den Haushaltsentwürfen für 2025 und 2026 für eine „digitale Kompetenzoffensive“ investieren wollen (bitte nach Einzelplänen, Titelgruppen, Maßnahmen und Projektträgern differenzieren)?"
"Die Maßnahme wurde nicht in den Haushaltsentwurf für 2025 eingebracht. Für 2026 ist geplant, Mittel einzusetzen. Die Höhe dieser Mittel steht bislang nicht fest."

Inzwischen ist der Haushaltsentwurf für 2026 in den Bundestag eingebracht worden. Auf die Frage, ob darin Mittel für die Nationale Digitale Kompetenzoffensive eingeplant sind, antwortet Chat GPT:

"Der Haushaltsentwurf bzw. die Haushaltspläne bis 2029 nennen vielfach Mittel für Digitalisierungs- und Innovationsprogramme insgesamt (z. B. in den Bereichen KI, Digitales Lehren und Lernen, Infrastruktur), aber nicht explizit für eine „digitale Kompetenzoffensive“ mit eigener Postenkennziffer, soweit ersichtlich.

Ohne ausreichende Mittel im Haushalt 2026 kann man zwar planen, aber kein größeres Vorhaben umsetzen. Und groß muss das Programm sein, wie die vergleichbare Initiative in Österreich zeigt. Das Ministerium hätte viel Zeit sparen können, wenn es sich bei der Konzeption und der Finanzplanung Österreich als Vorbild genommen hätte. Aber anscheinend hat man sich damit nicht näher befasst. Denn in der Antwort auf die Frage Nr. 10 mit welchen anderen Ländern sich die Bundesregierung ausgetauscht hat, wird kein Land benannt.

Das Vorbild Österreich

In der eingangs erwähnten Forderung weist die Initiative D21 auf die bereits seit 2023 laufende Digitale Kompetenzoffensive in Österreich hin. Die Strategie "Digitale Kompetenzen Österreich" ist ein von 500 Expertinnen und Experten entwickeltes und von mehreren Bundesministerien getragenes Programm, mit dem digitale Kompetenzen in der Bevölkerung für die alltägliche Nutzung und die Qualifizierung von IT-Fachkräften mit insgesamt 350 Maßnahmen gefördert werden. Nach einer aktuellen Zwischenbilanz vom September 2025 ist man auf einem guten Weg. Mit dem Programm "Digital Überall" wurden 4.500 Workshops mit 43.000 Teilnehmenden durchgeführt. Über ein Drittel der österreichischen Gemeinden bietet Workshops an und jede vierte Gemeinde setzt auf "Digi-Dolmetscherinnen und Digi-Dolmetscher, die u.a. die Umsetzung der "Digital Überall"-Workshops in und für die eigene Gemeinde vor Ort ermöglichen."

Angaben zu den dafür bereitgestellten Mitteln habe ich selbst nicht gefunden, nur dass die Maßnahmen vom Bund, den Ländern und den Kommunen finanziert werden. Aber Chat GPT war erfolgreicher und hat im„ Nationalen strategischen Fahrplan für die Digitale Dekade – Aktualisierung 2024“ (Bundeskanzleramt) für die Programme „Digital Skills for All“ / „Digital Überall“ / „Digital Überall PLUS“ einen Betrag von 14,325 Mio. € aus dem Bundeshaushalt ermittelt. Österreich hat 9,2 Mio. Einwohner. Für Deutschland mit 83,5 Mio. müsste man also das Neunfache ansetzen. Für den vergleichbaren DigitalPakt Alter hat das Bundesseniorenministerium nach Angaben des thüringer Sozialministeriums von 2021 bis 2025 für eine Geschäftsstelle und die jeweils drei monatige Förderung von 150 Erfahrungsorten 3,1 Millionen Euro ausgegeben

Leider ist nicht zu erwarten, dass die Mittel für 2026 deutlich steigen, wie es für die Erreichung der Ziele erforderlich wäre. Denn in der ersten Lesung des Haushaltsentwurfs wurde deutlich, dass 2026 insgesamt weniger Mittel für Digitalisierung eingeplant sind als für 2025. Ohne höhere digitale Kompetenzen bei mehr Bürgerinnen und Bürgern kann die angekündigte Modernisierung des Staates durch Digitalisierung nicht gelingen. Es ist zu hoffen, dass sich diese Einsicht im weiteren Verlauf der Haushaltsberatungen noch durchsetzen wird und den Ankündigungen doch noch wirksame Taten folgen werden.

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