Digital Only PLUS Teil 3 - Gesetzliche Absicherung für ein bedarfsgerechtes Angebot im Rahmen der digitalen Daseinsvorsorge

In ihrem Koalitionsvertrag hat die neue Bundesregierung einen Vorschlag der Initiative D 21 für eine "Nationale Digitale Kompetenzoffensive" aufgegriffen. In Teil 1 habe ich die Kritik der AWO an Digital Only und die Forderung nach Erhalt analoger Zugangswege mit Hilfe einer Dokumentation des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages aus rechtlicher Sicht beleuchtet. In Teil 2 wurde der Vorschlag für die Kompetenzoffensive näher betrachtet und die Ergänzung um Unterstützungsangebote für diejenigen gefordert, die die für eine echte Teilhabe erforderlichen Kompetenzen nicht (mehr) erwerben können. In diesem dritten Teil geht es darum, wie ein entsprechendes flächendeckendes Angebot gewährleistet werden kann.
Wie kann ein bedarfsgerechtes Gesamtangebot entstehen ?
Angebote an Sprechstunden und auch an Haubesuchen in Verbindung mit den bestehenden Erfahrungsorten oder auch kommerzielle Angebote beschränken sich weitgehend auf Bedienungsprobleme. Der für eine digitale Teilhabe erforderliche Unterstützungsbedarf geht jedoch weit über einfache Informations- und Kommunikationsdienste hinaus und umfasst mittlerweile alle Bereiche der Daseinsvorsorge. Wenn diese digitalisiert werden, entsteht für eine Nutzung durch alle und insbesondere für die Älteren ein entsprechender Unterstützungsbedarf.
Bereichsspezifische Angebote erfassen
Das Titelbild nennt die verschiedenen Bereiche der Digitalen Daseinsvorsorge und es ist leicht erkennbar, dass dem damit verbundenen Unterstützungsbedarf nicht alleine durch die bisherigen Erfahrungsorte und auch nicht durch einen neuen universellen Service entsprochen werden kann, sondern dass diese Unterstützung bereichsspezifisch erfolgen muss.
Große Anbieter der Grundversorgung bieten in der Regel eine telefonische Hotline zu ihren Portalen an, ebenso große Handelsunternehmen, Banken und Sparkassen, die meisten Krankenkassen und andere mehr. Die erwähnte Unterstützungspflicht für Onlinedienste im Verwaltungsportal soll nach dem OZG auch primär per Telefon durch die Rufnummer 115 umgesetzt werden. Ein telefonischer Support ist kann jedoch für ältere Menschen mit eingeschränktem Hörvermögen und geringen Basiskompetenzen nur begrenzt wirksam sein. In dem Bremer Netzwerk Digitalambulanzen konnten telefonisch mitgeteilte Probleme häufig erst bei einem Hausbesuch gelöst werden. In Hamburg gibt es die Digitallotsen, die man in den Service-Stellen der Verwaltung aufsuchen kann. In Bremen bietet z. B. auch die Sparkasse eine solche Beratung in einigen der wenigen Filialen an und gegen Entgelt auch Haubesuche. In welchen Bereichen Unterstützung in welchem Format und welcher Dichte heute bereits angeboten wird, weiss niemand. Es wäre also eine prioritäre Aufgabe für die im Koalitionsvertrag angekündigte Kompetenzoffensive nicht nur die digitalen Kompetenzen der Bevölkerung zumessen, sondern auch die bestehenden Unterstützungsangebote bundesweit zu erfassen.
Gesetzliche Angebotspflicht
Der Vorschlag der Initiative D21 hofft auf ein freiwilliges Commitment von Staat, Wirtschaft und Zivilgesellschaft für die Maßnahmen zur Erreichung der Ziele der Offensive. Aufgrund eines anzunehmenden Eigeninteresses der Anbieter digitaler Dienste sollte man davon ausgehen können. Aber die bisherigen Erfahrungen mit allen Appellen, mit dem DigitalPakt Alter und anderen Initiativen sprechen dagegen. Daher halte ich einen Ausbau der mit dem OZGÄndG begonnen gesetzlichen Verpflichtung in mehreren Schritten für notwendig:
- Als erstes sollte die Begrenzung einer Unterstützungspflicht auf Portaldienste aufgehoben und auf alle Onlinedienste auf allen Verwaltungsebenen ausgedehnt werden, die schon seit 2022 vorgesehenen zweistufige Unterstützung über 115 endlich umgesetzt werden und um örtliche Hilfen durch Digitallotsen wie in Hamburg ergänzt werden.
- Dann sollte eine solche Verpflichtung per Gesetz auch für alle anderen von staatlichen Stellen angebotenen Onlinedienst der Daseinsvorsorge in den entsprechenden Fachgesetzen verankert werden.
- Und drittens sollte dies dann auch für Unternehmen und Organisationen erfolgen, die Onlinedienste der Daseinsvorsorge anbieten. Bereichsspezifisch gibt es eine gesetzliche Supportverpflichtung für Anbieter von PflegeApps (DiPAs) im DVPMG. Diese könnte auf Gesundheits- Apps, die digitale Patientenakte u a. digitale Angebote insbesondere den Krankenkassen auferlegt werden.
Integration in die bereichsspezifische Regulierung und Unterstützungssysteme
Dies sind nur einige konkrete Beispiele. In meinem Buch zur Digitalen Teilhabe im Alter plädiere ich dafür, die erforderliche bereichsspezifische Unterstützung bei digitalen Diensten ("Digitalassistenz") nicht als spezielle Leistung aufzubauen, sondern diese in die jeweiligen Bereiche organisatorisch, personell und finanziell zu integrieren bzw. in der bereichsspezifische Regulierung zu ergänzen. Die folgende Abbildung zeigt, wie viele Gesetze angepasst werden müssen, damit das Versprechen, bei der Digitalisierung den Digitalfernen ein bedarfsgerechtes Unterstützungsangebot zu machen und so alle mitzunehmen.
Nicht nur eine Offensive - Eine Transformation von Unterstützungssystemen
Mir ist bewusst, dass dies ein sehr weitreichender Vorschlag ist, der auch auf Widerspruch stößt. Aber es ist eine unumstößliche Tatsache, dass es nicht gelingen kann, in einer alternden Gesellschaft wirklich allen die für eine echte digitale Teilhabe erforderlichen Kompetenzen zu vermitteln. Das gilt speziell für Hochaltrige, aber auch für alle anderen Altersgruppen, in denen sich zu unterschiedlichen Anteilen Menschen mit Behinderungen, mit Sprachproblemen, Analphabeten und andere mit einem besonderen Unterstützungsbedarf befinden. Im Koalitionsvertrag wird nicht nur eine Kompetenzoffensive angekündigt, sondern Inklusion und Teilhabe für alle. Unter der Überschrift "Gesellschaft – digital kompetent, selbstbestimmt und inklusiv" heißt es u.a
"In einer zunehmend vernetzten Welt gewährleisten wir allen die digitale Teilhabe und stärken die Barrierefreiheit."
Vielleicht wurde bei der Formulierung dieses Satz nicht erkannt, wie weitreichend dieses Versprechen ist. Diese Gewährleistung geht weit über eine zeitliche begrenzte Offensive hinaus, sondern erfordert eine tiefgreifende und aufwendige Transformation bestehender soziale Hilfe- und Unterstützungssysteme, wie in der obigen Abbildung dargestellt. Die vorangegangene Regierung ist, wie das D21 Monitoring gezeigt hat, schon bei der Steigerung der digitalen Kompetenzen gescheitert. Eine inklusive Digitale Daseinsvorsorge zu gewährleisten, ist um ein Vielfaches schwieriger - auch im erforderlichen begleitenden Monitoring.