Digitale Teilhabe 65 plus

Beobachtungen, Gedanken, Fragen und Tipps
zur Überwindung der Alterslücke bei der Nutzung von digitalen Medien

Portrait: Herbert Kubicek
Prof. Dr. Herbert Kubicek
Jahrgang 1946
Über mich
24.03.2024

Noch mehr Ärger mit der Bahn: Smartphone-Zwang wegen der Digitalen BahnCard ? - Ein Kommunikationsproblem

Screenshot mit der Frage "Ich habe kein Smartphone - kann ich die digitale BahnCard trotzdem nutzen?Screenshot 25. März 2024

Die Medien berichten: Ab Juni gibt es die digitale BahnCard nur noch digital. Eine digitale Version gibt es schon länger, aber jetzt angeblich ausschließlich. Verbraucherzentrale und Verband Pro Bahn sehen vor allem ältere Kunden ausgegrenzt, die kein Smartphone haben und nicht digital kommunizieren können. Ein Professoren-Kollege hat mir seinen Schriftverkehr mit der Bahn zu diesem Thema zur Verfügung gestellt. Er wehrt sich gegen einen so ausgeübten Smartphone-Zwang. Treffen die Befürchtungen zu und ist die Kritik berechtigt – oder kann die Bahn auch nicht richtig kommunizieren?

Was ändert sich ab Juni 2024 ?

Die Bahn kündigt öffentlich und allen BahnCard-Kundinnen und Kunden auch direkt per Mail an, dass es die BahnCard 25 und BahnCard 50 ab Juni nur noch per Zugriff mit einem Smartphone geben wird. Dazu braucht man dann neben einem Smartphone noch ein Kundenkonto und für ein Kundenkonto eine Mail-Adresse. Dieser schon länger angekündigte Schritt wird mit der allgemeinen Digitalisierung, mit Nachhaltigkeit (Plastikmüll) und der Tatsache begründet, dass bereits 60% der Kundinnen und Kunden die digitale BahnCard nutzen.

Ein interessanter Briefwechsel

Prof. A., pensioniert und durchaus digital affin, sieht hierin einen Zwang, ein Smartphone anzuschaffen, einen Vertrag mit anderen Firmen abzuschliessen und die entsprechenden Kosten zu tragen. Er hat den Bahnvorstand angeschrieben und vom Zentralen Kundendialog (Vorstandsangelegenheiten) unter anderem folgende Begründung erhalten:

"Bei der Mehrheit unserer Kund:innen ist der Wunsch nach digitalen Lösungen stark gestiegen, weshalb wir unsere digitalen Kanäle in Zukunft konsequent weiter ausbauen. Bestärkt werden wir darin auch durch den europäischen Gesetzgeber, der es uns Eisenbahnunternehmen ausdrücklich erlaubt, Fahrausweise in rein digitaler Form anzubieten.
Pro Jahr werden 5,1 Millionen BahnCards ausgegeben. Durch eine digitale BahnCard kann eine erhebliche Menge an Plastik eingespart werden, was wiederum der Umwelt zugutekommt. Zudem kann die Karte, anders als in physischer Form, nicht vergessen werden oder verloren gehen, wenn sie einmal in der Smartphone-App „DB Navigator" hochgeladen ist. Sechzig Prozent der BahnCard-Kund:innen nutzen bereits jetzt die digitale Form der Karten in unserer App.
Sehr geehrter Herr Dr. A..., auch wenn Sie eine andere Antwort erwartet haben, hoffen wir dennoch auf Ihr Verständnis."

Unterzeichnet vom Leiter und einem Mitarbeiter des Zentralen Kundendialogs. Doch Prof. A hat für diese Gründe kein Verständnis und unter anderem geantwortet:

„Ihr Argument, der Vorteil der Smartphone-Lösung bestehe darin, dass man damit die BahnCard nicht mehr vergessen oder verlieren könne, ist - mit Verlaub - dämlich. Ein Smartphone kann ich wie eine Plastikkarte vergessen oder verlieren, und außerdem geht die Funktion z.B. bei leerem Akku verloren, was bei einer Plastikkarte nicht der Fall ist. Die Plastikkarte kann ich sogar ins Wasser tauchen ohne Funktionsverlust. Sie ist also die viel robustere Lösung. ....
Nicht beantwortet haben Sie meine Frage, wie es mit meinem Abonnement weiter geht, wenn ich es ohne Smartphone nicht mehr nutzen kann. Falls das tatsächlich so ist, betrachten Sie mein Abonnement als gekündigt. Bei einer einseitigen Änderung der AGB, die mein Abonnement sinnlos macht, dürfte mir ein Sonderkündigungsrecht zustehen. Leiten Sie das dann bitte an die zuständige Stelle weiter.
Es ist schade, wie die DB mit langjährigen Kunden umgeht, und das bei immer unzuverlässigerem Service. Was denken Sie sich nur?“

Darauf kam ein erneuter Brief mit einem Gutschein zur Besänftigung. Doch Prof. A. war nicht besänftigt, sondern wurde politisch und wandte sich an den Bundesverkehrsminister mit der guten Frage, wieweit diese Aktion zur Forderung der FDP nach Technologieoffenheit und gegen staatliche Zwänge passt (Anlage).

Gibt es wirklich keine Alternative?

Bevor ich mich hier der Kritik am Smartphone-Zwang anschließe habe ich gegoogelt: „BahnCard ohne Smartphone was tun“ und einen Link zu FAQs der Bahn bekommen.

Die Frage "Ich habe kein Smartphone - kann ich die digitale BahnCard trotzdem nutzen?"

Und die Antwort:
"Als Alternative zur digitalen BahnCard auf dem Smartphone können Sie in Ihrem Kundenkonto auf bahn.de ein Ersatzdokument, eine BahnCard in Form eines PDF-Dokuments mit QR-Code, abrufen. Diese Alternative kann bei Bedarf auf Papier ausgedruckt und während der Bahnreise mitgeführt werden. Das Ersatzdokument wird ab dem 09.06.2024 für Sie im Kundenkonto hinterlegt. Eine Anleitung für den Abruf finden Sie unter www.bahn.de/digitalebc."

Über den Link kommt man zu einer Video-Anleitung, wie man Schritt für Schritt zu der PDF-BahnCard kommt, die streng genommen nicht mehr komplett digital, sondern hybrid ist. Man braucht einen Computer mit einem Browser, eine digitale BahnCard und ein Kundenkonto. Dafür braucht man eine Mail-Adresse und eine PIN, die man online anfordern kann und per Mail bekommt. Die BahnCard muss man online bestellen und über das Kundenkonto aufrufen, Und dort soll man dann ab 9. Juni das pdf-Ersatzdokument anfordern können. Diesen Anweisungen bin ich gefolgt und alles funktioniert auch bis zu der Anzeige, dass das PDF Ersatzdokument erst zum 9. Juni zur Verfügung gestellt wird – wenn es keine Ersatzkarten aus Plastik mehr gibt.

Fazit 1: Kein Smartphone-Zwang aber einen Computer- und E-Mail-Zwang. Und gute Nerven sind auch erforderlich. Wahrscheinlich haben alle, die mit einer BahnCard verreisen wollen und können Zugang zu einem Computer, so dass niemand ausgegrenzt werden dürfte. Aber dazu muss dieser Weg bekannt gemacht werden. Und hier liegt das Problem:
Fazit 2 Auch Chaos in der Kommunikation. Wieso weiss der zentrale Kundendialog nichts von der PDF-Lösung? In einem Artikel im WeserKurier vom 21.3. erwähnt auch die DB-Pressesprecherin diese Option nicht, sondern empfiehlt einen Anruf beim BahnCard-Service.

Die Schritt-für-Schritt-Anleitung können sie hier ansehen:

Weitere Infos: Brief an Wissing.pdf

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