Digitale Teilhabe 65 plus

Beobachtungen, Gedanken, Fragen und Tipps
zur Überwindung der Alterslücke bei der Nutzung von digitalen Medien

Portrait: Herbert Kubicek
Prof. Dr. Herbert Kubicek
Jahrgang 1946
Über mich
Thema heute:

Telefonischer OZG-Support über 115 - Auf dem Weg zu neuen Silo-Strukturen?

Nutzerzentrierung bedeutet auch bedarfsbezogenen Support

Bereits 2021 hat der IT-Planungsrat im Rahmen der OZG-Umsetzung erkannt, dass "Users First" nicht nur eine Berücksichtigung der Bedarfe der Zielgruppen bei der Entwicklung digitaler Verwaltungsdienste beinhaltet, sondern auch deren Support bei der Nutzung - wie es in Unternehmen und der Verwaltung intern seit Jahrzehnten üblich ist. Bei bei der Frage, wer diesen Support wie bundesweit erbringen könnte, kam man auf die einheitliche Behördenrufnummer 115. Der IT-Planungsrat hat am 17.3.2021 ein Eckpunktepapier der Geschäfts- und Koordinierungsstelle 115 zur Weiterentwicklung der Behördenrufnummer 115 gebilligt und um Umsetzung gebeten. Vorgeschlagen werden:

"Ein Sprachdialogsystem (SDS) zur Qualifizierung und teilautomatisierten Beantwortung von Anrufen, ein Kontaktformular, ein Chat und ein Chatbot (regelbasiert bzw. intelligent). Diese und die notwendigen Handlungsoptionen zur Umsetzung wurden durch den 115-Verbund umfassend geprüft und bewertet. Im Ergebnis wurden SDS und Chatbot als die Technologien identifiziert, die kurzfristig ein hohes Wirkungspotential, insbesondere auch bei der Bewältigung der pandemiebedingten Herausforderungen, für die 115 haben und mit vertretbarem Aufwand umsetzbar sind."

Ich wüßte gerne, wie diese Eignung von Chatbots identifiziert worden ist. Für ältere Bürgerinnen und Bürger mit geringen digitalen Kompetenzen ist beides mit Sicherheit kein geeigneter Weg. Selbst eine telefonische Auskunft hat nach den Erfahrungen im Netzwerk Digitalambulanzen in weniger als der Hälfte der Fälle zu einer Lösung eines Problems geführt. Vielfach wurde als Ergebnis ein Hausbesuch verabredet.

Am vergangenen Freitag haben Antje Nantcho und Niels Winkler, Senator für Finanzen der Freien Hansestadt Bremen, auf dem Europäischen Verwaltungskongress über den aktuellen Stand der Planungen berichtet.

In der selben Session habe ich das Netzwerk Digitalambulanzen als ein Element einer service-orientierten Verwaltungsentwicklung vorgestellt und mich gewundert, dass Erfahrungen in dem Netzwerk mit Supportleistungen bisher nicht berücksichtigt worden sind. Die Umfrage bestätigt den Bedarf an telefonischem Support weit über OZG-Dienste hinaus. Wird hier ein Support-Silo vorbei an anderen Bedarfen und Kapazitäten gebaut?

Was ist mit DVG und DVPMG?

Das OZG umfasst zwar eine große Anzahl vom Diensten, aber lange nicht alle, die im Rahmen einer Digitalen Daseinsvorsorge in den letzten Jahren per Gesetz auf den Weg gebracht oder gestärkt worden sind. Das Digitale Versorgungsgesetz (DVG) soll Video-Sprechstunden mit Ärzten fördern und ermöglicht die Kostenübernahme der Kassen für digitale Gesundheits-Anwendungen. (DiGA). Das Digitale Versorgung und Pflege-Modernisierungs-Gesetz (DVPMG) regelt die Erstattung von digitalen Pflege-Anwendungen (DiPA). In beiden Bereichen ist mit Sicherheit mit einem Supportbedarf zu rechnen. In beiden Fällen handelt es sich aber nicht um OZG-Dienste. Soll dafür eine eigene Support-Infrastruktur aufgebaut werden? Bei dem für das OZG vorgesehenen Basis-Support mit der Hilfe beim technischen Zugang und der Bedienung der Geräte sind es bei allen Anwendungen die gleichen Fragen, für die nicht mehrere Support-Silos nebeneinander geschaffen werden sollten. In meinem Vortrag habe ich auf den größeren Rahmen der Digitalen Daseinsvorsorge hingewiesen und vorgeschlagen, dass auch die Bedarfe und Planungen für die Bereiche Gesundheit, Mobilität und andere mit einbezogen werden.

Woher kommt das Wissen für die Wissensdatenbank ?

In der Präsentation aus dem Finanzressort wird betont, dass unabhängig vom Zugangskanal die entscheidende Komponente die Wissensdatenbank ist, auf die die Agents oder Bots zugreifen, um die Tausenden von Fragen sachgerecht beantworten zu können. Ich hatte bei dem Vortrag den Eindruck, dass die Planung dort noch nicht weit fortgeschritten ist und es auch keinen Plan gibt, wie dieses in jeder Hinsicht für 115 neue Themenfeld erschlossen und das erforderliche Wissens generiert werden soll.

Sinnvoll ist die Absicht, 115 zunächst als First-Level-Support zu konzipieren und dann zwischen einem Basis-Support und anwendungsbezogenem Support zu unterscheiden. Für den Basis-Support wurden in der Begleitforschung zu den Innovationsprojekten im Rahmen des Netzwerks Digitalambulanzen einige Erfahrungen dokumentiert. Dort wurden nämlich die Fragen der Teilnehmenden in den Sprechstunden protokolliert, um eine solche Wissensbasis in Form von FAQ aufzubauen. Im Evaluationsbericht der ersten fünf Innovationsprojekte ist eine Übersicht enthalten (unten, Seite 32).

Zusatzbedarf für eine Info-Line über aktuelle Unterstützungsangebote

Bei der Planung sollte auch die klassische Aufgabe von 115 , die Auskunftserteilung über Leistungen und zuständige Stellen für die vielfältigen Angebote zur Förderung digitaler Teilhabe mit einbezogen werden. Für Bremen sollte dies die Web-Seite des Netzwerks leisten und alle Angebot der Netzwerkpartner gut auffindbar machen (siehe dazu auch den Blog-Beitrag vom 9.4.2022. Das ist von der Datenbass her nur bedingt gelungen. Vor allem aber ist eine Online-Suche für Offliner nicht der passende Zugang. Die Idee, dass sich mehrere Partner eine telefonische Auskunft über ihre Angebote abwechselnd teilen, wurden leider bisher nicht umgesetzt. Ohne eine telefonische Info-Line zu den vorhandenen Angeboten wird man die Internetnutzung generell und auch die Nutzung von OZG- und anderen Online-Behördendiensten zumindest bei den 20 Millionen älteren Menschen nicht ausweiten können.