Digitale Teilhabe 65 plus

Beobachtungen, Gedanken, Fragen und Tipps
zur Überwindung der Alterslücke bei der Nutzung von digitalen Medien

Portrait: Herbert Kubicek
Prof. Dr. Herbert Kubicek
Jahrgang 1946
Über mich
22.04.2022

Wieso „Neue“ Medien? Es geht um alte Medien, die digital besser sind !

Eine Collage von kleinen Fotos analoger Gegenstände die ein Pendant im Internet haben: ein Telefon, ein Briefkasten u.a.m.

Wie in vielen anderen Umfragen wurde auch in der Bremer Umfrage zur Internetnutzung älterer Menschen als Hauptgrund für die Nichtnutzung angegeben, dass kein Interesse am Internet bestehe, es nicht gebraucht werde und dass die bisher genutzten Medien ausreichen würden. Daher wurde die anschließende Frage nach einem Unterstützungsbedarf bei der Nutzung des Internet mit Smartphone oder Tablet von über 70 Prozent der teilnehmenden Offliner nicht beantwortet.

Wenn man diesen Befund im Lichte der medientheoretischen und -pädagogischen Literatur zum Thema Ältere Menschen und Technik betrachtet, kann man zu dem Schluss kommen, dass möglicherweise nicht nur diese Frage falsch gestellt wurde, sondern auch die Art und Weise, wie Ältere über die Möglichkeiten des Internet informiert und zur Nutzung motiviert werden nicht zielführend ist. Es ist Konsens, das Ältere im Gegensatz zu Jüngeren überwiegend nicht an der Technik selbst, sondern an dem damit erzielbaren Nutzen interessiert sind und dass ihnen dieser Nutzen möglichst entsprechend der jeweiligen Lebenssituation aufgezeigt und erfahrbar gemacht werden soll. Wenn dazu neue Geräte als Voraussetzung in den Vordergrund gestellt werden, könnten mentale Barrieren aufgebaut werden, die den Erfolg eines solchen Ansatzes zumindest bei einem Teil älterer Menschen behindern.

Rosenstock u.a. betonen bei der Entwicklung eines Konzepts für die Medienkompetenzförderung älterer Menschen in Mecklenburg-Vorpommern, dass Mediennutzung nicht in erster Linie als Bedienung von Geräten betrachtet werden sollte, sondern als über viele Jahre entwickelte habitualisierte Zugangsweisen mit verfestigten Prinzipien und Bewertungen (S. 34). Darin liegen die Erfahrungen und Kompetenzen älterer Menschen, an denen bei der Entwicklung von Curricula angeknüpft werden sollte. Neben der Dimension „Arbeit vs. Freizeit“ soll auch die Dimension „Vertrautheit vs. Fremdheit“ beachtet werden.

Das führt mich zu der These, dass bei der Motivierung älterer Menschen, nicht das Neue und Fremde, sondern das Bekannte und Vertraute in den Vorderrund gestellt werden sollte. In der medientheoretischen zu dem mit Ulrich Schmid und Heiderose Wagner verfassten Buch „Bürgerinformation durch „Neue“ Medien“ haben wir Medien als Institutionen betrachtet, die sich durch eine technische und eine inhaltliche Dimension mit unterschiedlichen Prozessen und Strukturen auszeichnen und voneinander unterscheiden. Auf der inhaltlichen Ebene geht es um kognitive Schemata, bestimmte Muster von Form und Inhalt, die es uns erlauben eine Zeitung von einem Buch, ein Telefonbuch von einem Museumskatalog oder einen Kinofilm von einem Fernsehmagazin zu unterscheiden. Und ein Kinofilm bleibt ein Kinofilm unabhängig davon, ob man ihn im Kino sieht, als VHS Kassette über einen Videorecorder auf dem eigenen TV-Gerät, als DVD auf dem PC oder ihn im Internet mit einem Tablet anschaut.

So betrachtet ist das Internet kein neues Medium, sondern eine Ansammlung alter Medienformate in neuen Nutzungskontexten, die jeweils einen spezifischen Mehrwert gegenüber den analogen Versionen bieten:

Über das Internet kann man telefonieren und die Gesprächspartner sehen, auch mit mehreren zugleich.
Im Internet kann man Fernsehserien schauen, wann man will, auch nachträglich Folgen, die man verpasst hat.
Im Internet kann man Routen und Verkehrsverbindungen auf Karten finden und gleich noch die Fahrtdauer angezeigt bekommen.
Im Internet hat man ganze Bibliotheken von Büchern zur Auswahl, kann sie sofort am Bildschirm lesen und dabei bei Bedarf auch die Schrift vergrößern.
Im Internet kann man Museen auf der ganzen Welt besuchen und erhält ausführliche Beschreibungen zu den Exponaten.
Und …. und …. und …..

Im Projekt MoiN der Stiftung Digitale Chancen in Zusammenarbeit mit dem Landesverband der AWO Schleswig-Holstein hat Stephan Seiffert für eine Einführungsveranstaltung für ehrenamtliche Unterstützer*innen des Wohlfahrtsverbandes einen solchen Ansatz mit passenden Fotos illustriert. Auf meine Bitte hin hat er diese Präsentation hier zur weiteren Verwendung zur Verfügung gestellt. Die Präsentation und die darin verwendeten Fotos können für eigene Angebote übernommen werden. Sicher fallen Ihnen noch weitere Analog-Digital-Analogien ein.

Die Folien finden Sie als pdf hier

Lizenz: CC-BY-NC-SA 4.0 by MoiN

Weitere Infos: MoiN_Multi-Schulung